100 Jahre Marcel Callo
Ein Glaubenszeuge, der uns nahesteht. Am 6. Dezember dieses Jahres hätte Marcel Callo seinen 100. Geburtstag feiern können.
KAB-Bundespräses Stefan-B. Eirich erzählt, wie uns Marcel Callo auch heute noch hilfreich sein kann:
Bei Ängsten, insbesondere Berührungsängsten: Marcel Callo
Das klingt ein wenig wie Medikamentenwerbung, passt aber. Denn der Satz, „nichts soll, nichts kann dich ängstigen“ stammt zwar samt der Feststellung, dass „Gott allein genügt“ (Solo Dios basta) nicht von Marcel Callo. Aber er hat ihn, abgesehen von Teresa von Avila als dessen Verfasserin, wie kein zweiter unter den vielen Vorbildern für einen ebenso unerschrockenen wie tatkräftigen Glauben gelebt. Nichts ängstige dich: Angst hatte er ganz offensichtlich zeitlebens nicht wirklich und Berührungsängste schon gar nicht. Ob zwischen Kirche und Arbeiterschaft oder zwischen den vermeintlichen Erbfeinden Franzosen und Deutschen: Abgründe, die anderen unüberbrückbar schienen, waren für Callo nur ein Ansporn zu deren geduldiger Überwindung. Sein Lebenslauf wurde und wird anlässlich seines 100. Geburtstags am 6. Dezember ausführlich gewürdigt. Hier genügt es daher, den Blick auf den furchtlosen Brückenbauer Marcel Callo zu lenken.
Callo wuchs in einem Land auf, das nach dem Ersten Weltkrieg tief gespalten war zwischen dem staatlich verordneten, von breiten Bevölkerungsschichten mitgetragenen sogenannten Laizismus und einem Katholizismus, der nach der Trennung von Staat und Kirche seinen Platz in der Französischen Republik noch nicht richtig gefunden hatte. Nur sehr langsam begriffen einige katholische Vordenkerinnen und Vordenker Ende der 1920er Jahre, dass sie einer weiteren Säkularisierung nur dadurch begegnen konnten, wenn sie sich endlich von den Träumen einer christlichen Monarchie loslösen und sich den Sorgen und Nöten der Zeitgenossen zuwenden würden. Sie mussten dafür ein wirkliches Interesse an den Nöten der Menschen zeigen und einen tatkräftigen Kooperationswillen zur Lösung drängender sozialer Fragen zeigen – auch in Tuchfühlung mit den bis dato gemiedenen, ja ignorierten Gewerkschaftlern und Sozialisten. So war es nur konsequent, 1927 die Christliche Arbeiterjugend zu gründen. Callo wurde wenig später zu einer ihrer führenden Persönlichkeiten. Er verstand es bestens, seine eigene Identität als Facharbeiter mit seinem christlichen Glauben zu vereinbaren und so für beide Seiten ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit zu entwickeln.
Eine andere von Callo errichtete Brücke führte über den abgrundtiefen Graben zwischen Deutschen und Franzosen. Deutschland galt erklärtermaßen als der Auslöser des Ersten Weltkriegs und musste als zukünftiger potentieller Aggressor in Schacht gehalten werden. Tiefes Misstrauen, ja Hass auf den Nachbarn jenseits des Rheins galten als Selbstverständlichkeit. Es gehört zu den Glanzpunkten im Wirken Callos, dass sich bei ihm trotz seiner Zwangsrekrutierung durch die deutschen Besatzer keine Spur von nationalem Ressentiment findet. Ganz im Gegenteil: In Zella-Mehlis (Thüringen), wo er für die deutsche Rüstungsindustrie schuften musste, lernt er die deutsche Sprache, um auch mit einheimischen Mitgefangenen in einen vertieften Austausch zu kommen und um ihnen Halt zu geben. Nach der Arbeit gründete er mit anderen jungen Zwangsarbeitern eine internationale Sport- und Theatergruppen und feierte mit ihnen Gottesdienste.
Am 19. April 1944 wird er von der Gestapo verhaftet. Die Anklage wirft ihm vor, „durch seine katholische und religiöse Aktion“ habe „er sich als Schädling für die Regierung der nationalsozialistischen Partei und für das Heil des deutschen Volkes erwiesen“. Nichts soll dich ängstigen! Marcel Callo lebt eine Art Glauben vor, der in seiner Konsequenz faszinierend ist. Denn er hilft dabei, in schlimmster Bedrängnis Angst auszuhalten und Vorurteile abzubauen. Keine andere, ja keine vornehmere Aufgabe hat die Kirche, haben wir in ihr heute! Und sollten sich tatsächlich einmal Berührungsängste einstellen: ein Gedanke an Marcel Callo hilft bestimmt!
Die KAB Augsburg hat in enger Kooperation mit der Diözese Augsburg eine Spendenakquise gestartet, mit der eine Gedenkstätte in der Heimatdiözese von Marcel Callo ermöglicht werden soll. Ab 6. Dezember 2021 ist eine Ausstellung geplant, die später zu einer Gedenkstätte weiterentwickelt werden soll. Weitere Informationen und Kontaktdaten für eine Spende finden sich im Flyer: 100 Jahre Marcel Callo - Eine Gedenkstätte für den Märtyrer der Arbeiterjugend