Bundespräses: Vatikan-Instruktion ist ein Weckruf für Laienverbände
"Jetzt gilt es! - Verbände bieten substanzielle Alternative
Als Bundespräses der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Deutschlands hat mich die Instruktion der Kleruskongregation vom 29.6.2020 über die Leitung von Pfarrgemeinden in eine alarmierte, aber auch aufgeweckte Grundstimmung versetzt. Noch vor einem Jahr habe ich im Team mit haupt- und ehrenamtlichen Laien die Leitungsverantwortung für zwei große Pfarreiengemeinschaften im Bistum Würzburg wahrgenommen. Damals wie heute lebe und handle ich aus der Überzeugung, dass die Kirche kein Selbstzweck ist, sondern Tag für Tag neu und plausibel ihre Existenzberechtigung in der Gesellschaft durch die glaubwürdige Auseinandersetzung mit den Sorgen und Hoffnungen heutiger Menschen nachweisen muss. Es steht außer Frage, dass dieser Nachweis durch Laien und Priester nur gemeinsam und zugleich auf Augenhöhe erbracht werden kann. Überzeugend und damit missionarisch geschieht dies, wenn sich die Beteiligten vom Evangelium her an Transparenz, die Würdigung aller vorhandenen Kompetenzen und Geschlechtergerechtigkeit halten.
Die gefährdete Glaubwürdigkeit des Engagements in den Pfarreien
Die Glaubwürdigkeit pfarreilichen Engagements wird es im Gefolge der Instruktion schwer haben. Bei einer Reihe von kleruszentrierten Vorschriften etwa in Fragen der Vermögensverwaltung scheint eine doppelte Wirklichkeit vorhanden: die des Gesetzesbuchstabens und jene der Erfordernisse vor Ort. Letztere erzwingen nun geradezu inoffizielle, weil pragmatische Lösungen jenseits des Gesetzesbuchstabens. Es steht außer Zweifel, dass dem Ansehen der Kirche dadurch ein ähnlicher Schaden zugefügt wird, wie dieser bereits durch die lebensfremde kirchliche Lehrmeinung zur Sexualmoral vor 50 Jahren entstanden ist. Erneut geraten die jetzt noch Engagierten unausweichlich in einen tiefen Loyalitäts- und Gewissenskonflikt.
Kirche ist nicht nur Hierarchie, sondern Volk Gottes
Vor diesem Hintergrund ist an die Bedeutung und die Verantwortung der Verbände für die Würdigung des Einsatzes aller Getauften zu erinnern. Dankenswerterweise thematisiert Artikel 38 ausdrücklich die Verantwortung des gesamten Volk Gottes (also auch der Laien) für die Evangelisierung: "Da die Kirche nicht nur Hierarchie, sondern Volk Gottes ist, ist die gesamte Gemeinschaft für ihre Sendung verantwortlich" (Art. 38). Diese Verantwortung ließ und lässt sich größtenteils jenseits der in Erinnerung gerufenen klerikalen Leitungsansprüche wahrnehmen. Die gegenwärtig in Deutschland etwa 100 überdiözesan aktiven Verbände bieten den überwältigenden Beweis dafür. Ihre Satzungen sind oft demokratischer als die Strukturen der "verfassten" Kirche. Gleichzeitig bilden sie einen elementaren Teil der kirchlichen Gemeinschaft und deren Sendung, denn sie ermöglichen es Frauen und Männern, ja bereits Kindern und Jugendlichen, mit ihren Begabungen der Kirche eine lebendige und relevante Bedeutung für das Leben der Menschen zu geben.
Die Verbände bieten eine substanzielle Alternative zum Engagement für das pfarreiliche Leben, das am Ende zumindest nach den Vorstellungen der römischen Instruktion vom leitenden Pfarrer zugelassen, gewürdigt oder auch verhindert wird. Gerade in diesem Punkt bewährt sich, dass die Verbände für viele Mitglieder wie auch Außenstehende eigenständige Organisationen sind und nicht vollkommen identisch mit der amtlichen Kirche.
Verbände in der Verantwortung für neues Engagement in der Kirche
In Zeiten klerikaler Engführungen haben die Verbände regelrecht die Pflicht, um das Engagement all jener zu werben, die berechtigte Zweifel am Funktionieren des klassischen Modells mit einem Pfarrer an der hierarchischen Spitze von glaubenden Menschen hegen. Auch ich teile diese Zweifel. In der Leitung der KAB arbeite ich deshalb im Team mit gleichberechtigten Laien, denn ich habe im Lauf meiner dreißigjährigen Tätigkeit in unterschiedlichsten Verantwortungsbereichen kirchlichen Lebens immer wieder erfahren, dass in einem gleichberechtigten Team viel mehr Ideen und Initiativen entstehen können als im Rahmen hierarchischer Leitung. In meinem Verband und in vielen vergleichbaren Organisationen sehe ich die treffende Antwort auf das Bonmot, "Die katholische Kirche ist die einzige Institution, die ihre Fachleute als Laien bezeichnet." Verbände bieten sogenannten Laien wirkliche Verantwortung an. Hier werden sie ernst genommen und gewürdigt mit ihrer eigenen Befähigung durch Taufe und Firmung.
Die demokratische Leitungsstruktur der Verbände erkenne ich als ein tragfähiges Zukunftsmodell für das kirchliche Leben. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine Leitungsform, die eine Vielfalt von Begabungen abbildet und dabei nicht nur lenkt und dirigiert, sondern vor allem begleitet und inspiriert, der Glaubwürdigkeit des Evangeliums in unserer Gesellschaft neue Kraft verleihen wird.
Die Instruktion zur Leitung der Pfarreien ist deshalb ein Weckruf an die Verbände."
Lic.theol. Stefan-B. Eirich
KAB Bundespräses