Wie steht es um unsere Wahrnehmung?
Bild von Pixabay Gibt es nur dort Probleme, wo man Sie erkennt? Nein, ganz sicher nicht… Bei diesen Fragen erinnere ich mich nicht nur an Stichworte wie Corona-Pandemie, Klimawandel oder auch das Thema der Gleichberechtigung… Es gibt viele Bereiche, die offen ein Problem sind, aber teilweise geleugnet, ignoriert oder schlichtweg nicht beachtet werden.
Wie steht es also um unsere Wahrnehmung?
Sehen wir nur das was wir wollen oder, noch extremer, nur so, wie es uns gefällt? Wie schaffen wir Bewusstsein für Probleme, die nicht deutlich sichtbar sind oder laut schreien? Es ist der erste Schritt genau hinzusehen oder genau hinzuhören. Erst wenn ich selbst meine Wahrnehmung schärfe und erkannt habe, dass ein Problem besteht, nehme ich es als solches war und versuche eine Auseinandersetzung mit eben jenem Problem.
Gleichberechtigung? Fehlanzeige!
Nehmen wir das Beispiel Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Als Mann nehme ich Ungleichheiten wahr und frage mich, warum das so sein muss. Da wir aber in einer Männergesellschaft leben, habe ich den Eindruck, dass viele Männer gar kein Problem erkennen. Denn die Männer werden ja nicht schlechter behandelt. Dabei ist es ganz gleich, ob es sich um die Besetzung von Ämtern handelt, wo gerne gönnerhaft kommentiert wird: „Wir würden ja gerne mehr Frauen im Vorstand haben, aber die trauen sich halt nicht…“ oder der Equal Pay Gap, der den Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen für die gleiche Tätigkeit markiert. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.
Der Klavierkabarettist Bodo Wartke hat das Thema in seinem jüngsten Stück „Ein Tag ohne“ auf den Punkt gebracht:
„Offenbar gibt es hier, wie man sieht,
einen nicht ganz unerheblichen Unterschied,
was man so alles tun und lassen kann,
je nachdem, ob man eine Frau ist oder ein Mann.
Wenn die Welt einen Tag lang ohne Frauen wär',
würden Männer einfach weiterleben so wie bisher.
Doch wenn sie ohne Männer wär', würden Frauen
so banale Dinge tun wie sich nach draußen trauen.
Sie würden sich freier und sicherer fühlen.
Und so geht es nicht nur manchen, sondern sicher vielen.
Frauen wünschen sich, vor uns keine Angst haben zu müssen.
Ich hab gedacht, wir Männer sollten das wissen.“
Personalität oder die unveräußerliche Menschenwürde
Die Auseinandersetzung mit dieser Ungerechtigkeit - und das kann ich als Mann hier auch sagen - ist nicht nur notwendig, sondern überfällig. Andere Menschen als gleichwertig zu betrachten, muss selbstverständlich sein. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ stellt unser Grundgesetz fest. Jeder Mensch hat eine unveräußerliche Würde, die - wenn man der christlichen Sozialethik folgen will - aus der Gottesebenbildlichkeit der Menschen abgeleitet wird. Das Grundprinzip der Personalität besagt genau das. Diese zu wahren, zu achten und zu gewähren ist ein wesentlicher Baustein eines gleichberechtigten wertschätzenden Miteinanders. Es wird Zeit, dass wir danach handeln.
Text: Dr. Timo Freudenberger, KAB-Sekretär in Hildesheim