Predigt zum Gedenken an Bernhard Schopmeyer
Predigt von Domkapitular Alfons Strodt in der Eucharistiefeier zum Gedenken an Bernhard Schopmeyer an seinem 74. Todestag in der Heilig-Geist-Kirche in Osnabrück
Liebe KABler,
Der italienische Pater Ermes Ronchi hat vor zwei Jahren unserm Papst Franziskus Exerzitien gegeben, also geistliche Übungen unter dem Titel: „Die nackten Fragen des Evangeliums.“ Es sind Fragen, die Jesus vor 2000 Jahren den Menschen gestellt hast, die aber heute genauso aktuell sind. Z.B: Was sucht ihr? – Warum habt ihr solche Angst? – Womit kann man das Salz wieder salzig machen? – Liebst du mich? Und so weiter.
Und da bringt er auch das, was wir eben in der Lesung gehört haben: Die Geschichte vom Goldenen Kalb, oder besser: Die Geschichte von Mose, der leidenschaftlich gegen die Pläne des zornigen Gottes protestiert. Und Mose hat Erfolg mit seinem Protest – Gott lässt sich umstimmen. Und in diesem Zusammenhang spricht der Pater Ronchi von einer „Spiritualität des Protestes“. Moses appelliert an die Treue Gottes. Er hat nicht die Haltung völliger Unterwerfung unter Gott angenommen. Er hat keine Angst, Gott geradezu vorzuladen. Und Ronchi sagt wörtlich: „Das ist die wahre Hirtenliebe, da hat einer den Geruch seiner Schafe angenommen. Ihm ist das Leben seines Volkes wichtiger als die Pläne Gottes! Glaube ist kein bloßes Sich-ins-Schicksal- Ergeben, sondern unter Umständen Einspruch erheben, Protest gegen das, was geschieht oder sich abzeichnet. Glaube ist Leidenschaft für das Volk in seinen Nöten … Glaube heißt, Rechenschaft zu verlangen und Widerspruch einzulegen, wo Menschen, wo Kinder Gottes getötet oder gedemütigt werden.“
Bleiben wir bei diesem Wort: „Spiritualität des Protestes.“ Das lateinische Wort „protestare“ bedeutet: „Öffentlich als Zeuge auftreten, Zeugnis geben, öffentlich aussagen, laut verkünden, eintreten für seine Sache, ein wichtiges Anliegen vertreten.“ Es geht also nicht darum, alles zu kommentieren oder an allem rumzumäkeln, alles schlechtzureden und immer was zu meckern haben. Es geht um die Frage, ob wir den Mut haben, uns mit aller Leidenschaft öffentlich für ein wichtiges Anliegen einzusetzen, Einspruch zu erheben, Rechenschaft zu verlangen. Also aus der Rolle des Zuschauers, der alles nur kommentiert, herauszutreten und großen persönlichen Einsatz zu wagen.
Viele Proteste zeigen Wirkung. Das konnten wir neulich noch am Beispiel des Youtubers Rezo sehen. Das erleben wir auch bei der kleinen schwedischen Schülerin Greta Thunberg, die mit ihren „Fridays for Future“ weltweit Furore macht und die Herzen der Jungen und Alten für die Klimaschutzbewegung gewinnt.
Jede Zeit lebt von unbequemen Persönlichkeiten, die klarer sehen, die Zeichen der Zeit erkennen, sich querstellen und bereit sind, große persönliche Nachteile dafür in Kauf zu nehmen. Die also aus einer hellwachen „Spiritualität des Protestes“ heraus handeln. Das sind keine angepassten Typen. Das sind Männer und Frauen, die ihr gutes Gespür behalten haben; die nicht nur im Mainstream mit-, sondern auch gegen den Strom schwimmen. Die nicht zu allem JA und AMEN sagen, sondern ein klares NEIN rufen können.
An einen solchen Mann erinnern wir heute. Die KAB Osnabrück kann so dankbar und stolz sein, dass es neben Nikolaus Groß, Bernhard Letterhaus und Gottfried Könzgen, neben einem Marcel Callo auch einen aus ihren Reihen gibt, Bernhard Schopmeyer, der zu den überzeugenden Größen der christlichen Arbeiterbewegung zählen kann.
Sein Beispiel ist höchst aktuell, wenn in diesen Tagen Männer und Frauen, die ihre politische Verantwortung ernstnehmen, mit dem Tod bedroht werden und der Regierungsdirektor Walter Lübcke erschossen wurde. Wenn rechtsradikale Kräfte die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben und hemmungslos Nationalismus und Rassismus fördern. Wenn die Sprache immer mehr verroht und die neuen Medien schamlos genutzt werden, um Lügen und Hass zu säen. Wenn die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Bernhard Schopmeyer hat damals Einspruch erhoben und ist Opfer seines Protestes, seiner Klarheit und seines Mutes geworden. Und nicht nur, was seine Wachsamkeit für politische Entwicklungen anging: Er war ein Mann der christlichen Arbeiterbewegung, und als solcher kämpfte er für gerechten Lohn und humane Arbeitsbedingungen. Und in der Kirche war er ein starker Vertreter des Laienapostolates und unbequemer Mahner. Und so gehört er auch sicher mit zu denen, die in unserm Bistum dem 2. Vatikanischen Konzil den Weg geebnet haben. Und ich bin sicher: Er war ein Mann wie Mose, der auch Gott nicht in Ruhe gelassen hat, sondern mit ihm rang zugunsten der Menschen, für die er Verantwortung trug.
Liebe KABler, ich bin als junger Schüler in die Schule der CAJ gegangen, habe Joseph Cardijn mehrmals erlebt und seine Rufe gehört: “Jeder kleine Arbeiter ist mehr wert als alles Gold der Erde!“ Und „Eine Kirche ohne die Arbeiterschaft ist nicht die Kirche Jesu Christi!“ Und: „Die Jugendlichen müssen die Apostel für die anderen Jugendlichen sein.“ In der CAJ habe ich Zugang zum Lebendigen Evangelium gefunden und bin zum Engagement in Kirche und Gesellschaft geführt worden. Dankbar erinnere ich mich an diese Prägung. Dankbar erinnere ich mich auch an Bernhard Schopmeyer und gewinne Kraft aus seinem Protest, seinem Lebenszeugnis. Erinnerung ist Kampf um die Zukunft!