Mauerbau - Mauerfall - Deutsche Einheit
Zu diesem Thema fand die erste Veranstaltung der KAB Senioren des Bezirkes Osnabrück in diesem Jahr statt. Nachdem coronabedingt alle bisherigen Treffen abgesagt werden mussten, konnte sich am Mittwoch, 21.Oktober 2020, in der St. Josephs Kirche in Osnabrück die Gruppe endlich wieder, zwar unter besonders Bedingungen, aber ganz real begegnen. Es war für alle eine Freude, sich wiederzusehen. Zumal ein besonderer Gast sein Kommen zugesagt hatte.
Um 8.30 Uhr begann eine heilige Messe. Pastor Thilo Wilhelm und Diakon Harald Niemann nahmen das Thema schon im Gottesdienst auf. Anschließend begrüßte Margret Obermeyer als Leitung der Bezirkssenioren Herrn Minister a.D. Dr. Rudolph Seiters als Referenten. Er startete mit einem kurzen Rückblick auf den Bau der Mauer und den Zeiten des kalten Krieges. Wie man sich eingerichtet hatte und alle Welt dauerhaft von zwei deutschen Staaten ausging. Das Ziel hieß irgendwann nicht mehr Vereinigung Deutschlands sondern Annäherung und Entspannungspolitik zwischen BRD und DDR.
Dann folgte der Hauptteil des Vortrags:
- wie die Ereignisse um 1989/90 für alle sehr überraschend waren,
- warum das Kanzleramtsministerium die Verhandlungsführung auf Seiten der BRD übernahm, deren Chef Dr. Seiters zu der Zeit war, die DDR wollte das Außenministerium dafür haben,
- wie im August 1989 die Ständige Vertretung der BRD in der DDR geschlossen werden musste, weil sie mit 117 Flüchtlingen auf ihrem Gelände heillos überfüllt war,
- wie so viele Gespräche, Telefonate und Konferenzen hinter den Kulissen stattfanden, deren Augen-und Ohrenzeugen unser Referent persönlich war,
- wie im August unter dramatischen Umständen Ungarn seine Grenze zu Österreich öffnete,
- welche Rollen Michael Gorbartschow, Francois Mitterand und Margret Thachter dabei spielten…
Es war so spannend einem echten Zeitzeugen zuzuhören, der an vorderster Stelle in das Geschehen involviert war.
Herr Dr. Seiters ordnete das Ganze auch in die Umwälzungen ein, die in den anderen Ostblockstaaten zeitgleich passierten. Wie aber die DDR Regierung eine Haltung der Realitätsverweigerung zeigte. Und er sprach auch von den großen Vorbehalten der westlichen Nachbarstaaten, die Angst vor einem neuen Großdeutschland hatten.
Zu den Entwicklungen in den letzten dreißig Jahren sprach er von den großen Aufbauleistungen, aber auch von denjenigen, die sich als Verlierer der deutschen Einheit fühlen und der DDR nachtrauern.
Die ökonomischen und ökologischen Hinterlassenschaften der SED waren so viel gravierender als es vorher erkennbar war. Das Wirtschaftssystem der DDR wäre kurze Zeit später vollkommen zusammen gebrochen. Unter dieser Perspektive sah er die Entwicklung der „neuen Länder“ insgesamt positiv.
In der anschließenden Diskussion kamen dazu und auch zu den starken rechtsextremen Strömungen gerade im Osten einige Nachfragen.
Der Referent wies in seiner Antwort darauf hin, dass in der DDR und überhaupt im ganzen Ostblock in den vierzig Jahren vor der deutschen Einheit nur wenige Ausländer dort hinkamen, vor allem Vietnamesen, Kubaner und Nordkoreaner. Von daher hatten viele Menschen wenig Erfahrung mit Leuten aus anderen Kulturkreisen und mit den Problemen, die damit zusammenhängen können. Deshalb kamen mit den Flüchtlingen auch Ängste, die von bestimmten Parteien noch geschürt wurden. Und zu den immer noch währenden Unterschieden und Schwierigkeiten in Verhältnis Ost-West-Deutschland zitierte er Frau Susanne Birthler, ehemalige Bürgerrechtlerin und Leiterin der Stasiunterlagenbehörde: 40 Jahre Teilung braucht mindestens 40 Jahre Heilung. Es bleibt die Aufgabe aller, daran weiter zu arbeiten.
Margret Obermeyer bedankte sich ganz herzlich für diesen authentischen und profunden Vortrag, auch für das Kommen der KAB-Senioren und die Gastfreundschaft der Kirchengemeinde, alles Dinge, die in diesen Zeiten nicht selbstverständlich sind.