KAB Diözesanverband Osnabrück
Katholische Arbeitnehmer-Bewegung

KAB Diözesanverband Osnabrück

Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen zum Corona-Virus für AVR und KAVO

Die folgenden Infos haben die Kolleg*innen der Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen und der Rechtsberatung der KAB im Bistum Münster zusammengestellt:


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Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen zum Corona-Virus für AVR und KAVO

1. Kann der Dienstgeber Überstunden anordnen, damit der Dienstbetrieb, besonders bei verminderter Beschäftigtenzahl, aufrecht erhalten bleibt?
In solchen (Not-)Situationen kann der Dienstgeber auch kurzfristig Mehrarbeit und Überstunden anordnen.

2. Kann ich vom Dienstgeber kurzfristig in anderen Einrichtungen desselben Dienstgebers eingesetzt werden?
In der Regel haben Sie einen Arbeitsvertrag zum Beispiel mit der Kirchengemeinde oder dem gesamten Krankenhaus ggf. auch mit einem Klinikverbund. Daher können Sie auch jetzt schon in der gesamten Kirchengemeinde oder im Krankenhaus/im Klinikverbund auf allen Stationen/in allen Kliniken des Verbundes eingesetzt werden.

3. Kann vom Dienstgeber für uns betrieblicher (Zwangs-)Urlaub angeordnet werden?
Betrieblicher Zwangsurlaub ist zustimmungspflichtig durch die MAV. Ohne Zustimmung der MAV kann es keinen Zwangsurlaub geben. Urlaub soll der Erholung dienen. Das ist beim Zwangsurlaub in der Regel nicht gegeben. Im Übrigen muss besonders in Kindergärten auf die Anzahl der Schließungstage für das gesamte Jahr geachtet werden. Sollten schon 18 Schließungstage für das Jahr 2020 geplant sein, würde die Höchstzahl, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt (z.B. BAG, 28.07.1981, 1 ABR 79/79) überschritten. Außerdem kann Urlaub nur im Einvernehmen mit dem Mitarbeiter gewährt werden.

4. Kann vom Dienstgeber verlangt werden, dass wir Überstunden/Mehrarbeit abbauen?
Der Dienstgeber kann einseitig den Freizeitausgleich mit einer angemessenen Ankündigungsfrist festlegen. Das gilt auch in KAVO-Einrichtungen. Freizeitausgleich kann in Betrieben mit Dienstplänen (z.B. AVR) im Dienstplan des nächsten Monats angeordnet werden. Ausnahme: Es gibt Dienstvereinbarungen, in denen der Abbau von Überstunden und Mehrarbeitsstunden geregelt ist. Dann gilt das dort Vereinbarte. Im Falle einer Dienstvereinbarung ist auch die Festlegung der Höchstgrenzen beim Aufbau von Minusstunden zu beachten.
Sofern keine Dienstvereinbarung besteht, in der der Aufbau von Minusstunden geregelt ist, ist die Anordnung von Minusstunden nicht möglich.

5. Besteht ein Vergütungsanspruch, wenn Arbeitnehmer aus Furcht vor einer Corona-Ansteckung von sich aus zu Hause bleiben?
In diesem Fall verlieren die Arbeitnehmer den Vergütungsanspruch. Sie tragen grundsätzlich das sog. Wegerisiko. Auch wenn man im Winter den Betrieb nicht erreichen kann, verlieren Arbeitnehmer gem. § 326 Abs. 1 BGB den Entgeltzahlungsanspruch.
Bleiben Arbeitnehmer zu Hause, fehlen sie überdies unentschuldigt. Ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht besteht auch bei drohenden Pandemien nicht. Das Fehlen kann bis zu einer Abmahnung oder Kündigung führen.

6. Sind die Mitarbeitenden zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn Probleme bestehen zur Dienststätte zu gelangen (z.B. durch Einstellung des ÖPNV)?
Die Mitarbeitenden wären in diesem Fall weiterhin zur Arbeitsleistung verpflichtet, da die Mitarbeitenden das sogenannte Wegerisiko (s.o.) tragen. Sie müssten demnach eigenständig die Fahrt zum Arbeitsplatz organisieren.

7. Besteht bei einer behördlichen Betriebsschließung der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer?
Wird der Betrieb – z.B. auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG (Infektionsschutzgesetz) - geschlossen, weil in Bezug auf den gesamten Betrieb oder Gruppen von Arbeitnehmern ein Infektionsrisiko besteht (Stadtverwaltungen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Arztpraxen usw.), kann man die Grundsätze der vom RG im Jahre 1923 angewandten Betriebsrisikolehre anwenden.

Betriebsrisikofälle kennen wir bei der Unterbrechung der Energieversorgung, der Einwirkung von Naturereignissen, dem Ausbleiben von Rohstoffen oder dem Auftreten von Maschinenschäden und der daraus folgenden Einstellung oder Einschränkung des Betriebes. Ein Verschulden des Arbeitgebers liegt nicht vor.

Nach der Rechtsprechung trägt der Arbeitgeber dann das Betriebsrisiko infolge behördlicher Maßnahmen – also der Betriebsschließung – wenn dieses Risiko der behördlichen Maßnahme im Betrieb durch dessen besondere Art angelegt gewesen war. Es kommt also auf die Eigenart des Betriebes an.

Nicht zum Betriebsrisiko gehören allgemeine Gefahrenlagen wie Kriege, Unruhen und Terroranschläge. Manche zählen dazu auch Epidemien (so Krause in HWK, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Auflage 2018, § 615 BGB, Rn. 116).

Überträgt man die Grundsätze auf die Corona-Fallgestaltungen, liegt beispielsweise bei Hochschulen, bei denen notwendigerweise ein breiter Personenkontakt besteht, bei Kindertagesstätten, Schulen, allgemein zugänglichen öffentlichen Verwaltungen, bei Veranstaltungsunternehmen, bei Messen, bei Kaufhäusern usw. ohne weiteres die besondere Eigenart vor, dass Kontakt zu Menschen mit infektiösen Erkrankungen besteht. Ebenso ist es die Eigenart dieser Betriebe, dass eigene Mitarbeiter mit Menschen in Kontakt kommen, sich infizieren oder der Verdacht einer Infektion besteht und daher Betriebsschließungen ausgesprochen werden können. Das spricht aus meiner Sicht dafür, dass hier die Eigenart dieser Betriebe als das Betriebsrisiko des Arbeitgebers anzusehen ist, so dass der Arbeitgeber den Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer weitertragen muss.

Diese Grundsätze dürften auch in Krankenhäusern, Arztpraxen, usw. gelten. (Quelle: Dr. Detlef Grimm, Coronavirus & Arbeitsrecht: Die 12 wichtigsten Fragen, juris.de, zuletzt eingesehen am 16.03.2020)

Das Bistum Münster schreibt dazu:

Was bedeutet eine mögliche Betriebsschließung für die Mitarbeitenden?

Immer dann, wenn aufgrund behördlicher Anordnungen die Schließung einer (Teil-) Einrichtung oder Verwaltungsstelle angeordnet ist, behalten die Mitarbeitenden, die zurzeit dort eingesetzt sind, grundsätzlich ihren Entgeltanspruch auch für den Zeitraum der Einrichtungsschließung. Diese Zeiten gelten nicht als Erholungsurlaub. Für den Fall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gelten entsprechend die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes.

Insbesondere bei der behördlichen Schließung von Tageseinrichtungen für Kinder empfehlen wir den Dienstgebern auf die Anwendung der Regelungen des § 40a KAVO zu verzichten. (§ 40a KAVO sieht vor, dass im Falle einer behördlichen Maßnahme maximal 6 Arbeitstage Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht). Selbstverständlich können Dienstgeber im Rahmen ihres Leistungsbestimmungsrechts (Direktionsrechts), soweit einzelvertragliche Regelungen dieses nicht einschränken, Mitarbeitenden einen anderen Arbeitsplatz zuweisen. Beispielsweise in einem anderen, nicht von der Schließung betroffenen Bereich oder einer anderen Einrichtung. (Siehe auch Antwort zu Frage 2)
(Quelle: Rundschreiben des Bistums Münster vom 05.03.2020)

8. Ich habe Urlaub genommen und meine Einrichtung hat jetzt durch Behördenanordnung geschlossen. Andere dürfen jetzt einfach so zu Hause bleiben. Bekomme ich den Urlaub zurück?
Nein. Angemeldeter Urlaub ist bereits gewährt. Eine einseitige Rücknahme von bereits gewährten Urlaubsanträgen durch den Arbeitnehmer ist nicht möglich.

9. Ich soll in Quarantäne und dafür Urlaub nehmen. Ist das richtig?
Ist der Arbeitnehmer am Corona-Virus erkrankt, hat er gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) wie jeder Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Erkrankungen für die Dauer von sechs Wochen. Teilweise sind diese Fristen arbeits- oder tarifvertraglich länger. Freie Mitarbeiter haben diesen Anspruch mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht.
Besteht lediglich der Verdacht auf eine Ansteckung, besteht auch hier ein Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG, wenn ein behördliches Beschäftigungsverbot nach § 31 IfSG angeordnet worden ist. Das Tätigkeitsverbot kann sich auf einzelne Arbeitnehmer oder behördlich definierte Gruppen beziehen.
Die Fälle der Quarantäne (geregelt in § 30 IfSG) sind gleich zu behandeln: Hier wird infolge der Quarantäne ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden. Dann besteht der Entschädigungsanspruch gem. § 56 IfSG. Erkrankt ist der unter Quarantäne stehende Arbeitnehmer nicht, so dass deshalb kein Anspruch aus Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestehen kann.
(Quelle: Dr. Detlef Grimm, Coronavirus & Arbeitsrecht: Die 12 wichtigsten Fragen, juris.de, zuletzt eingesehen am 16.03.2020)

10. Was ist, wenn meine Kinder zu Hause bleiben müssen und der Betreuung bedürfen?
Die Fälle, in denen der Arbeitnehmer dann unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt wird, werden vornehmlich in § 40 KAVO bzw. § 10 AT AVR geregelt:

Schwere Erkrankung
a) des Ehegatten,

b) eines behinderten und auf Hilfe angewiesenen Kindes oder eines Kindes, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wenn im laufenden Kalenderjahr kein Anspruch nach § 45 SGB V besteht oder bestanden hat,

c) eines Kindes, das das 14. Lebensjahr vollendet hat und im Haushalt des Mitarbeiters lebt,

d) der im Haushalt des Mitarbeiters lebenden Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern, Großeltern oder Geschwister des Mitarbeiters,

e) einer Betreuungsperson, wenn der Mitarbeiter deshalb die Betreuung seines Kindes, das das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung dauernd pflegebedürftig ist, übernehmen muss,

bis zu 6 Tage im Kalenderjahr

Unter „Schwere Erkrankung“ versteht man Erkrankungen, die die Pflege und Anwesenheit des Mitarbeiters erforderlich macht. ( BAG, 11.8.1982, 5 AZR 1082/79, AP Nr.1 zu § 33 MTL II, NJW 1983, 1391) Das muss keine lebensbedrohliche Erkrankung sein. Bei Kindern kann es sich neben der Pflege auch um die Beaufsichtigung handeln. Der Anspruch entsteht dann, wenn kein anderes Mitglied der Familie zur Verfügung steht, also zum Beispiel der im Haushalt lebende Ehegatte. In den Fällen a) – d) ist die Notwendigkeit der Freistellung durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. Vorrangig ist für die Freistellung bei Pflege und Erkrankung eines Kindes allerdings der Anspruch nach § 45 SGB V geltend zu machen. Der betroffene Arbeitnehmer hat sich also zuerst an die Krankenkasse zu wenden, bevor er bei seinem Arbeitgeber den Anspruch nach KAVO geltend macht.

SGB V, § 45 in Auszügen:
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. § 10 Abs. 4 und § 44 Absatz 2 gelten.

(2) Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 25 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 50 Arbeitstage je Kalenderjahr.

Der Anspruch besteht nur für ein Elternteil. Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 und § 47 gelten entsprechend.

Dazu müssen Arbeitnehmer sich beim Arzt einen Kinderkrankenschein geben lassen.

Wichtig: Der gesetzliche Anspruch unter Nummer b) gilt für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr (= 12. Geburtstag), der KAVO- bzw. AVR-Anspruch geht darüber hinaus bis zum vollendeten 14. Lebensjahr (= 14. Geburtstag) des Kindes. Welcher Elternteil den Anspruch geltend macht, also die Pflege des Kindes übernimmt, unterliegt dem alleinigen Entscheidungsrecht der Eltern.

Sollten diese Zeiten nicht ausreichen, kann der Arbeitnehmer unter Fortfall der Bezüge freigestellt werden.

*Wichtiger Hinweis für Mitarbeitervertretungen und Dienstgeber:
Neben den oben beschriebenen Rechten sollten Sie anhand Ihrer betrieblichen Situation gut miteinander kommunizieren. Es macht auch „Dienstgemeinschaft“ und „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ aus, wenn sich Dienstgeber und MAV frühzeitig informieren und gemeinsam Regelungen diskutieren, verabschieden und in die Belegschaft kommunizieren. Dabei ist so eine Pandemie auch ein guter Testfall, wie gut MAVen und Dienstgeber miteinander umgehen können. Loyalität ist dabei keine Einbahnstraße, sondern sollte von beiden Seiten gezeigt und erwartet werden können.*

Für die DiAG-MAV Münster:
Ulrich Richartz, Geschäftsführer

Für die KAB-Rechtsberatung Diözesanverband Münster:
Benedikt Kemper, Margret Nowak, Marion Stichling-Isken

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